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Innovationsfeind: Not invented here-Syndrom – Psycho-Wissen für Führungskräfte

Not invented here Syndrom-Psycho-Wissen für Führungskräfte

Sie möchten Ihr Unternehmen innovativer machen? Wollen die Chancen des „New Normal“ nutzen oder die Zusammenarbeit zwischen Unternehmensbereichen verbessern?

Dann kennen Sie hoffentlich das Not Invented Here-Syndrom.

Es ist eher ein Virus, als ein Syndrom, und wird durch das Verhalten von Mitarbeitern und Vorgesetzten übertragen.

Am treffendsten übersetzt man das Not Invented Here-Syndrom mit:

Was nicht von uns/mir kommt, kann nicht gut sein“.

Not Invented Here ist nicht branchenspezifisch, betrifft alle Bereiche eines Unternehmens und Führungskräfte jeglicher Ausbildung.

Definition des Not invented here-Syndroms

Das Not invented here-Syndrom bezeichnet das Verhalten von Personen (und Organisationen), bei dem Ideen, Vorschläge, Vorgehensweisen oder Produkte anderer ausschließlich aus dem Grund abgelehnt werden, weil sie nicht von der Person oder Organisation selbst stammen. Das Not invented here-Syndrom behindert Innovationen und sorgt für Stagnation innerhalb von Unternehmen. Zudem führt es dazu, dass selbst innerhalb von Unternehmen unterschiedliche Abteilungen das gleiche Problem eigenständig mehrfach lösen und damit Geld und Zeit verschwenden.

Not Invented Here Gefahrenbereiche

Es gibt Unternehmensbereiche, die besonders anfällig für eine Not Invented Here-Erkrankung sind:

In allen Bereichen, in denen eine traditionelle, rein auf Fachwissen basierende Beförderungspolitik vorherrscht, liegen ideale Wachstumsvoraussetzungen für den Not Invented Here-Virus vor.

Eine Führungskraft, die sich beispielsweise exzellent in der IT-Architektur eines älteren IT-Systems auskennt, hat in aller Regel für jede Anforderung umgehend eine Idee. Selbstverständlich ist diese eigene Idee eine besonders gute, schließlich ist man ja deswegen Führungskraft, weil man so genial ist. Und schon ist das Virus ausgebrochen, das es Mitarbeitern unmöglich macht, ihre eigenen Ideen durchzubringen.

Das tückische an diesem Virus ist, dass der Träger die eigene Infektion nicht bemerkt. Es gibt quasi Super-Spreader des Not Invented Here-Syndroms.

Der Träger bemerkt nichts, die Mitarbeiter und Kollegen spüren jedoch die Auswirkungen in der täglichen Arbeit.

Wie erkennt man das Not Invented Here-Syndrom?

Es gibt einen Not Invented Here-Schnelltest, ganz ohne Blutabnahme:

Kennen Sie eine oder mehrere der folgenden Verhaltensweisen?

  • Wenn einer Ihrer Mitarbeiter mit einer Idee kommt, dann können Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen und Ihres Wissens sofort beurteilen, dass diese Idee so nicht funktioniert und teilen es dem Mitarbeiter auch gleich mit. Schließlich soll er keine Zeit mit etwas verbringen, das ohnehin nicht funktioniert.
  • Sie reagieren auf den Ideenvorschlag eines Mitarbeiters postwendend damit, dass Sie ihm die Mängel seiner Idee aufzeigen, um ihm dann Ihre eigene, viel bessere Idee mitzuteilen – die im Zweifelsfall einer Umformulierung der Idee Ihres Mitarbeiters entspricht.
  • Wenn ein Vorschlag einer anderen Abteilung kommt, die auf Ihre und die Arbeit Ihrer Abteilung Auswirkungen hat, lehnen Sie diesen umgehend mit dem Argument ab, dass der andere Bereich überhaupt keine Ahnung von Ihrem Fachgebiet hat und die Idee deswegen auch gar keinen Sinn macht.

Wenn Sie auch nur eine der Verhaltensweisen von sich selbst kennen, sind Sie infiziert. Der Träger des Not Invented Here Virus lehnt grundsätzlich alles ab, was nicht von ihm selbst stammt.

Und der Not Invented Here-Verteidiger hat keinerlei Zweifel daran, dass seine Meinung richtig ist!

Dabei ist das Not Invented Here Virus gar keine Erfindung der Neuzeit:

„Es ist schon sonderbar und unerklärlich wie lange es dauert,

bis ein Teil der Welt die nützlichen Ideen eines anderen Teils übernimmt.

Diese Form der Dummheit ist dabei auf keine Gruppe, keine Nation beschränkt;

sie ist universell.

Tatsache ist, dass die Menschheit nicht nur sehr lange braucht,

um nützliche Ideen zu übernehmen –

manchmal beharrt sie auch hartnäckig darauf, sie ganz zu verschmähen,“

schrieb Mark Twain in „Some National Stupidities“.

Das war 1891.

Wir scheinen uns in den letzten 100 Jahren nicht so sehr verändert zu haben, denn in einer Korn/Ferry Studie von 2012 sagte ein CEO:

Wir sind kürzlich ein Joint Venture mit einer anderen großen Firma eingegangen.
In unserer Firma gab es die Überzeugung,
Wenn es nicht bei uns erfunden wurde, dann ist es wertlos.‘
Um das Joint Venture zu einem Erfolg zu machen,
müssen wir nicht nur neue Fähigkeiten entwickeln,
sondern eine völlig andere Haltung erlernen.
Niemand kann mehr auf seiner Insel bleiben.

Das Problem scheint also tatsächlich zu existieren.

SpaceX ist deswegen so erfolgreich, weil dort radikal anders gedacht und gehandelt wird - Ohne Not invented here Syndrom

SpaceX ist deswegen so erfolgreich, weil dort radikal anders gedacht und gehandelt wird – Ohne Not invented hereSyndrom

Aber warum eigentlich?

Hintergründe des Not Invented Here-Syndroms

Was kann eine vernünftig denkende, intelligente Führungskraft dazu bringen, dem Not invented here-Syndrom zu erliegen?

Nachfolgend ein paar Umstände, die den Ausbruch des Not invented here-Syndrom fördern:

  • Die Überzeugung, dass es nicht sein kann, dass ein Mitarbeiter mit einer Idee kommt, die man als Vorgesetzter selbst hätte haben müssen. Schließlich widerspricht dies dem Glaubenssatz, dass der Vorgesetzte alles am besten weiß.
  • Man sieht im Mitarbeiter einen Konkurrenten um den eigenen Posten und kann nicht zulassen, dass dessen brillante Idee weiter verfolgt wird, da man sich selbst gefährdet sieht.
  • Mangelndes Zutrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter, verbunden mit der Überzeugung, dass deren Ideen grundsätzlich nicht gut sein können.
  • Die Idee ist zu kreativ und man weiß nicht, wie man diese seinen eigenen Vorgesetzten erklären soll oder fürchtet, sich damit lächerlich oder angreifbar zu machen.
  • Man versteht den Vorschlag gar nicht und lehnt ihn deswegen ab. Gerade in den Unternehmensbereichen mit einer hohen Veränderungsgeschwindigkeit verlieren Führungskräfte schnell den Anschluss an das Wissen der Mitarbeiter – und blockieren dann den Fortschritt.
  • Die Idee ist in einem sehr unvollständigen Zustand und man mag keine Zeit in weitere Analysen der Chancen stecken.
  • Man ist zu sehr unter Druck und befürchtet bei Berücksichtigung der Idee weitere Verzögerungen in einem ohnehin schon überzogenen Zeitplan.
  • Man kann den Ideenträger persönlich nicht leiden und akzeptiert ihn nicht.

Diese Auflistung ist nur ein kleiner Auszug von Hintergründen für das Not invented here-Syndrom. Noch wichtiger als die Hintergründe zu verstehen ist es, das Not invented here-Virus bei sich selbst und seinen Mitarbeitern zu identifizieren und ihm den Garaus zu machen.

Das Not invented here-Syndrom ist die Malaria der nach Innovationen lechzenden Unternehmen.

Malaria hat allerdings den Vorteil, dass es mit eindeutigen Krankheitszeichen wie hohem Fieber einhergeht.

Not invented here hat zwar auch eindeutige Erkennungszeichen, diese werden aber so gut kaschiert, dass viele NIH-erkrankte Firmen nichts vom ihrer Krankheit wissen.

Sie merken nur, dass sie über kurz oder lang Marktanteile verlieren.

CEOs suchen Ideen außerhalb ihres eigenen Unternehmens

IBM stellte 2013 in seiner Befragung von CEOs fest, dass 71 % von ihnen daran arbeiten, ihr Partnernetzwerk zu vergrößern, um dadurch Innovationen zu generieren (hier finden Sie die Studie: Reinventing the rules of engagement – IBM).

Kann das auch ein Hinweis darauf sein, dass im eigenen Unternehmen entweder keine Innovationen entstehen oder diese systematisch vernichtet werden?

Oder ist es die Erkenntnis, dass nur in Verbindung mit externen Partnern wirkliche Innovation entstehen kann, weil man der eigenen Mannschaft nichts zutraut?

Natürlich kann es auch daran liegen, dass man durch die Partnerschaft zusätzliches Wissen und andere Ansatzpunkte sieht, die beim Braten im eigenen Saft nicht erkennbar sind.

Der letzte Grund spricht ja auch für eine generelle Zusammenarbeit über Fachbereichsgrenzen hinweg – in den Unternehmen selbst.

Wenn die CEOs intensiver mit Partnern zusammenarbeiten wollen, dann haben sie hoffentlich auch interne Maßnahmen eingeplant, um dem mit Sicherheit auftretenden Not invented here-Virus in ihrer Organisation entgegenzuwirken.

Ich befürchte allerdings, dass dies nicht der Fall ist.

Und dann werden die wunderbaren Ideen der neuen Partner, dank des Not invented here-Syndroms, in den internen Mühlen zu Staub zermahlen. Um am Ende festzustellen:

Die Zusammenarbeit mit Partnern funktioniert einfach nicht.
Wir müssen auch in Zukunft alles selbst machen.”

Not invented here-Behandlungsstrategie

Es gibt viele Studien die bestätigen, dass Kooperation und „out of the box“-Denken klare Erfolgskriterien innovativer Unternehmen sind.

Doch was nützt diese Erkenntnis, wenn eine Organisation mit dem Not invented here-Virus infiziert ist?

Es gibt immer mindestens ein Argument eines entscheidenden Vorgesetzten, mit dem man eine Innovation verhindern kann.

Je weiter „out of the box“ gedacht wird, desto stärker schlägt das Not invented here-Syndrom zu.

Folgende konkrete Maßnahmen können Sie nutzen, um gegen das Not invented here-Syndrom anzugehen:

  1. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter eine Liste all der Ideen pflegen, die ihrer Meinung nach (durch Sie, andere Abteilungen, interne Vorgaben, etc.) aufgrund des Not invented here-Syndroms abgelehnt wurden. Die Liste muss öffentlich sein und von Ihnen und Ihren Führungskräften einmal monatlich durchgesehen werden, um ungerechtfertigt abgelehnte Ideen zu reaktivieren.
  2. Setzen Sie eine Prämie aus, beispielsweise ein Abendessen für Ihre Abteilung, wenn Ihre Mitarbeiter Sie dabei erwischen, wenn Sie selbst einen NIH-Anfall haben.
  3. Führen Sie regelmäßig Workshops durch (z.B. einmal pro Quartal), bei dem Sie mit Ihrem Team gemeinsam aktiv nach Lösungen, Vorgehensmodellen, Produkten, Ideen anderer suchen, um Ihre eigenen Lösungen, Vorgehensmodelle oder Produkte zu ersetzen. Der Workshop wird erst dann beendet, wenn (mindestens) ein Ansatz gefunden wurde, durch den Sie das bisherige Vorgehen/Produkt radikal verbessern oder tatsächlich ersetzen.

Das Not invented here-Syndrom finden wir leider sehr oft in den als Silos voneinander getrennten Unternehmensbereichen zu erkennen.

Das Not invented here Syndrom ist im Silodenken vieler Unternehmensabteilungen klar zu sehen silo

Das Not invented here-Syndrom ist im Silodenken vieler Unternehmensabteilungen klar zu sehen

So treffen Vorschläge, beispielsweise der IT, auf Not invented here-bedingte Vorbehalte eines Fachbereichs. Umgekehrt können auch aus Fachbereichen stammende Ideen für IT-Systeme von der IT abgelehnt werden, denn die sind ja „not invented here“.

Lieber erfindet man das Rad zum 17. Mal neu, als sich auf eine zu 98% passende Lösung der anderen einzulassen.

Das ist einer der Gründe, warum Unternehmen auch heute noch 10 und mehr Datenbanken haben, in denen die Kundendaten verwaltet werden.

Je enger, persönlicher und vertrauensvoller der Draht von Mitarbeitern über Fachbereichsgrenzen hinweg ist, desto eher kann man dem Syndrom entgegenwirken.

Führungskräfte müssen sich aktiv dagegen stemmen, selbst zum Not invented here-Blockierer zu werden und müssen diesem Syndrom im eigenen Bereich den Kampf ansagen.

Es ist psychologisch anfangs nicht immer leicht – aber vielleicht hilft die Aussage von Pablo Picasso:

Gute Künstler kopieren,

großartige Künstler stehlen

Bitte nehmen Sie das nicht ganz wörtlich.

Aber wenn Sie sich die Erfolgsgeschichten vieler Unternehmen ansehen, dann haben die meisten nicht unbedingt etwas komplett Neues erfunden, sondern etwas Bestehendes genommen und besser gemacht.

Dieser Text basiert auf einem Auszug meines Buches, über das Sie hier mehr Informationen finden: „Führungspraxis für Ingenieure und IT-Experten

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