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Experten oder Dart werfende Affen? Die Illusion der Glaubwürdigkeit

Experten oder dart-werfende Affen

Stellen Sie sich vor, Sie wollen beurteilen, wie gut gewisse politische Entscheidungen sind und haben drei potentielle Zukunftsszenarien zur Wahl.

Dabei können Sie sich wie folgt beraten lassen:

Beratung durch Experten
1. Sie nutzen die Aussagen von drei Personen, die sich hauptberuflich mit der politischen Analyse und der Beratung von Regierungen beschäftigen (und damit als Experten gelten)
Affe als Experte?

2. Sie nehmen eine Dartscheibe, schreiben die drei Optionen darauf, und geben einer Gruppe von Affen Dartpfeile. Die Option, bei der die meisten Pfeile stecken, wird Ihre Empfehlung

Wem glauben Sie?

Vermutlich werden Sie sich für die Experten entscheiden.

Leider.

Affen oder Experten?

In Daniel Kahnemans Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ (hier geht’s zum Buch auf Amazon), zitiert er eine Studie von Philip Tetlock.

Der Psychologe der Universität von Pennsylvania studierte

  • über 20 Jahre hinweg die Vorhersagen
  • von 284 politischen Experten und
  • analysierte über 80.000 Aussagen.

Die Experten hatten sehr gute Erklärungen dafür, wie sie zu ihren Vorhersagen kamen.

Leider lagen sie gnadenlos daneben.

Die Einschätzungen der Experten waren schlechter, als wenn sie den Optionen jeweils 1/3 der Wahrscheinlichkeit zugeordnet hätten.

Und damit waren die Experten schlechter, als die Affen, die auf eine Dartscheibe werfen – denn über die Zeit hinweg werden bei jeder Option gleich viele Pfeile stecken.

Der Effekt nennt sich Illusion der Glaubwürdigkeit (Illusion of Validity)

Dabei schneiden besonders erfahrene Experten meistens noch schlechter ab, als ihre weniger erfahrenen.

Der Grund:

Der Experte, der mehr Wissen angesammelt hat, entwickelt ein besonderes starkes Zutrauen in seine Fähigkeiten und sein Wissen.

Je mehr der Experte an sein Wissen glaubt, desto höher ist das Selbstvertrauen in seine eigenen Vorhersagen. Und umso weniger nimmt er gegenteilige Meinungen wahr.

Er übersieht zudem auch offensichtliche Gegenargumente, weil er dem Confirmation Bias/Bestätigungsfehler unterliegt.

Experten + Gewohnheit = gefährliche Kombination

Legen Sie Geld in Aktienfonds an? Dann standen Sie sicherlich mindestens einmal vor der Wahl, einen aktiven oder passiven Fonds zu wählen.

Bei aktiven Fonds gibt es hochbezahlte Experten, die sich den ganzen Tag damit beschäftigen, wie sie durch cleveres Kaufen und Verkaufen das Ergebnis Ihres Fonds steigern können.

Klingt super, oder?

Die Jungs und Mädels verdienen Millionen und machen das, was ich selbst nicht so spannend finde oder wofür ich keine Zeit habe.

Bei passiven Fonds wird eine gewisse Auswahl von Aktien gekauft (oft wird ein Index wie z.B. der deutsche DAX nachgebildet) und das war’s dann. Wenig Arbeit für die Finanzexperten.

Wenn Sie Geld an der Börse anlegen, dann sind Sie entweder selbst ein aktiver Trader – und dann betrifft Sie das nicht – oder Sie investieren langfristig. Für 10, 20, 30 Jahre.

Blöd ist jetzt, dass über einen Zeitraum von 15 Jahren satte 96% aller aktiven Fonds schlechter sind, als wenn Sie einfach passiv einen Index-basierten Fonds gekauft hätten.

Das gilt für einen rollierenden 15-Jahres-Zeitraum, d.h. egal welchen 15-Jahres-Abschnitt Sie analysieren, sehr viele Fonds, die von hochbezahlten Experten betreut werden, vernichten Geld.

Und selbst wenn Sie das Glück hatten, einen Fonds zu halten, der zu den hochperformanten 4% gehört… Dann verlässt Sie Ihr Glück wieder, sobald sich das Rad der Zeit weiterdreht.

Es gibt nämlich keinen Fonds, der beispielsweise 25 Jahre am Stück zu dieser 4%-Gruppe gehört.

Jetzt schlägt aber der Glaube an den Experten in Kombination mit Gewohnheit zu…

Sie mögen das jetzt gelesen haben und sich fragen, ob Sie auch einen Fonds aus der Verlierergruppe der 96% haben. Doch was tun Sie mit dem Wissen?

Vielleicht denken Sie, dass Ihre Experten bestimmt bald wieder mehr Erfolg haben.

Oder Sie sagen sich, dass es ja nicht so schlimm ist, ob Sie nun jährlich 7% oder 8% aus Ihrem Investment rausbekommen.

Doch es macht einen riesigen Unterschied. Bei 100.000 Euro Anlagesumme und einer Haltedauer von 20 Jahren sind es am Ende EUR 80.000 mehr oder weniger.

Was lernen wir daraus?

Es fällt selbst den besten Experten sehr schwer, über lange Zeit hinweg eine exzellente Performance hinzulegen.

Anders formuliert: Auch Experten liegen ziemlich oft daneben.

Unsere Gewohnheit und der Glaube an Experten sorgt jedoch dafür, das nach wie vor Milliarden von Euro jährlich in schlecht laufende Aktienfonds investiert werden.

Daniel Kahneman schreibt darüber
50 Jahre Forschung zeigen ein eindeutiges Ergebnis:
Für einen Großteil der Fondsmanager ist die Auswahl von Aktien eher wie ein Würfelspiel, obwohl sie selbst glauben, sie spielen Poker.“

Noch eine Anekdote:
In einer Studie mit dem Titel „Boys will be boys“ (hier geht’s zur Boys will be Boys Studie) über private Aktieninvestoren stellte sich heraus, dass männliche Aktienhändler wesentlich häufiger (und mit absoluter Überzeugung handelnd) auf ihre eigenen, sinnlosen Ideen hereinfielen als Frauen. Und Frauen somit bessere Investmentergebnisse erzielten als Männer.  

Fehlerkultur bei Experten? Fehlanzeige

Der oben erwähnte Psychologe Tetlock beobachtete zudem, dass Experten sich weigern, eigene Fehler einzugestehen.

Wenn Sie jetzt an die ganzen Vorhersagen zur Corona-Krise denken, dann geht es Ihnen wie mir.

Haben Sie irgendeinen Experten gesehen, der sagte „ich habe mich getäuscht“.

Ich nicht.

Es werden einfach andere Erklärungen abgegeben, von neuen Erkenntnissen gesprochen oder man ignoriert einfach, was man gestern behauptet hat.

Damit entwickelt sich ein gefährlicher Strudel, in den auch verantwortungsvolle Experten geraten können. Wer keine Fehler zugibt, muss seine nächsten Aussagen durch irgendetwas begründen.

Doch wenn wir unser Haus auf Sand gebaut haben, dann wird es nicht dadurch langfristig Bestand haben, weil wir am Dach Heliumballons befestigen, die das Gewicht reduzieren sollen.

Das Dilemma: Ein Experte, der einen Fehler eingesteht, würde sich umgehend aus dem Rennen für die nächste Beratungsrunde katapultieren.

Wenn wir Politiker betrachten, dann werden diese ebenfalls nicht begeistert sein, wenn der Experte, den sie gestern noch vehement unterstützt haben, heute seine Fehler eingesteht. Welches Licht wirft das denn auf den Politiker? „Wenn ich gestern diesen Experten unterstützt habe und er sagt heute, dass er falsch lag – zeugt das nicht davon, dass ich einen Fehler bei der Auswahl des Experten gemacht habe?

Und so dreht sich das Rad weiter und weiter.

Wobei, das nicht nur für Politiker gilt. Wirtschaftsbosse sind auch nicht davor gefeit.

Was wir aus dieser Illusion der Glaubwürdigkeit für den Umgang mit Experten lernen müssen

So, jetzt wissen wir, dass wir Experten nicht uneingeschränkt glauben sollten.

Aber das haben wir doch schon immer gewusst. Zumindest, wenn der Experte eine andere Meinung als unsere vertreten hat. Sind wir jedoch auf der gleichen Seite, dann sehen wir die Expertenmeinung als richtig und Bestätigung unserer Überzeugung an.

Was wir beachten sollten:

1. Fehler in Vorhersagen sind völlig normal, weil die Veränderung der Welt nicht im Detail vorhergesagt werden kann

2. Die Vergangenheit hat wenig damit zu tun, wie die Zukunft aussehen wird. Die Vergangenheit ist eine Sammlung von Ereignissen und Fakten (soweit wir diese tatsächlich kennen !) während die Zukunft durch unser Handeln (in gewissen Grenzen) formbar ist

3. Je höher der Expertenstatus des Experten ist, desto größer ist die Gefahr, dass dieser zu selbstsicher wird, gegenteilige Meinungen und Ereignisse ausblendet, und eigene Fehler nicht akzeptiert – was wiederum seine weiteren Vorhersagen beeinflusst

4. Bei mancher Entscheidung ist es vielleicht sinnvoller, dem Zufall zu folgen und das Ergebnis genau zu beobachten, als sechs Monate lang alle denkbaren Optionen zu analysieren und die später auftretenden Anzeichen für eine fehlerhafte Entscheidung zu ignorieren (das erinnert an die Sunk Cost Fallacy)

5. Hinterfragen Sie Aussagen von Experten und glauben Sie ihnen nicht zu sehr. Das gilt auch für meine Tipps ;).

Um es ganz deutlich zu sagen: Ich habe überhaupt nichts gegen Experten. Ich werde selbst zum Beispiel beim Thema Mitarbeiterführung und Online-Trainings als Experte angesehen.

Doch auch ein Experte ist ein Mensch, der Fehler macht und persönliche Wahrnehmungsfilter besitzt. Liegt dann auch noch eine enorme Last auf dessen Schultern, weil die ganze Welt auf die Aussagen wartet, sind Fehler unvermeidlich – weil menschlich.

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