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Framing – Wenn Worte manipulieren statt informieren – Psycho-Wissen für Führungskräfte

Framing - Wenn Worte manipulieren Psycho-Wissen für Führungskräfte

Wie bezeichnen Sie ein Glas, das zu 50% gefüllt ist?

Als halb voll oder halb leer?

Diese Wortwahl sagt einerseits sehr viel über uns selbst aus. Andererseits beeinflusst sie unser Gegenüber. Das mag Ihnen bereits bewusst gewesen sein, aber Sie werden nicht glauben, wie einfach Sie (und wir alle) ganz einfach beeinflusst werden können. Oder sollte ich „manipuliert“ sagen?

Framing: Ist das Glas halb voll oder halb leer?

Framing: Ist das Glas halb voll oder halb leer?

Eine Führungskraft muss deswegen genau beurteilen, wie sie die Macht ihrer Sprache und der gewählten Worte einsetzt.

Als Führungskraft können wir durch den psychologischen Effekt des Framing mit der Wahl eines einzigen Wortes den kompletten Kontext verändern und damit dutzende, hunderte oder tausende von Mitarbeitern positiv oder negativ beeinflussen.

Führungskräfte müssen aber auch wissen, dass sie selbst jederzeit Opfer des Framing werden können. Und zwar sowohl des bewussten als auch des unbewussten Framings.

Doch was soll das überhaupt sein?

Was ist Framing?

Mit Framing wird in der Kommunikationswissenschaft der Effekt bezeichnet, bei dem die Wahl einer Formulierung die Bewertung einer Aussage massiv beeinflusst. So kann durch eine positive oder negative Formulierung der identischen Aussage ein Framing erfolgen, das den Informationsempfänger erheblich beeinflusst – in aller Regel völlig unbewusst.

Framing-Beispiel 1: Der Solidaritätszuschlag

Es gibt in Deutschland die Körperschaftssteuer, Lohnsteuer, Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Abgeltungsteuer, Energiesteuer, Tabaksteuer, Kaffeesteuer (ja, wusste ich auch nicht), Kraftfahrzeugsteuer und noch viele mehr.

Warum trägt der „Solidaritätszuschlag“ diesen Namen?

Ich dachte immer, der „Soli“ wurde zur Finanzierung der Kosten der deutschen Einheit eingeführt.

Stimmt aber gar nicht.

1991 gab es erstmals den Solidaritätszuschlag, der nur für ein Jahr erhoben werden sollte.

Warum?

Um vor allem die Kostenbeteiligung Deutschlands am Golfkrieg zu finanzieren und Länder in Mittel-, Ost- und Südeuropa zu unterstützen.

Da klingt „Solidaritätszuschlag“ doch viel besser als „Golfkriegssteuer“ oder „Europasteuer“.

Sehr clever!

1995 kam er dann wieder. Um zu bleiben. Primär zur Finanzierung der Kosten der Deutschen Einheit.

Auch hier klingt der Name wesentlich besser als „Deutsche Einheit-Steuer“ oder gar „Neue Bundesländer-Aufbau-und-Unterstützungssteuer“.

Framing-Beispiel: Solidaritätszuschlag klingt viel besser als Steuer

Framing-Beispiel: Solidaritätszuschlag klingt viel besser als Steuer

Wenn wir jedoch einen „Zuschlag“ bezahlen (klingt fast so, wie wenn wir gefragt werden, ob wir noch etwas mehr Sahne auf unserem Eis haben wollen), dann klingt das nicht so schlimm.

Und solidarisch, na solidarisch sind wir schon.

Das ist die Macht des Framing.   

Sie sehen, wie ein einziges Wort Milliarden Euro Wert sein kann und zumindest die Wahrnehmung der Steuer beeinflusst.

Framing und Rinderwahnsinn

In den 1990er Jahren gab es mehrere Phasen, in denen sich BSE, oder „Rinderwahnsinn“, in Europa ausbreitete.

Menschen konnten an der tödlichen Creutzfeld-Jakob-Krankheit erkranken, wenn sie BSE-verseuchtes Rindfleisch konsumierten.

Damals war das eine riesige, mediale Geschichte, die teilweise sogar zur Panik führte.

Forscher der Universität Stanford wollten im Jahr 2005 herausfinden, wie das Verhalten der Bevölkerung von der Wortwahl der Berichterstattung abhing. Untersucht wurde das Verhalten in Frankreich und heraus kam ein weiterer Beweis für die Macht des Framing-Effekts durch ein einziges Wort.

  • Wenn in den Medien über die Creuzfeld-Jakob-Krankheit berichtet wurde, gab es nahezu keine Veränderung des Rindfleischkonsums bei den Konsumenten.
  • Wurde in den Medien jedoch über Rinderwahnsinn berichtet („Mad Cow Disease“) brach der Rindfleischkonsum auch Monate danach noch dramatisch ein.

Rinderwahnsinn löst automatisch eine emotionale Reaktion aus. Und stellt eine direkte Beziehung zum Auslöser der Angst – dem Rindfleisch – her.

Rinderwahnsinn oder Creutzfeld-Jakob-Krankheit - die Wortwahl führt zum Framing

Rinderwahnsinn oder Creutzfeld-Jakob-Krankheit – die Wortwahl ist ein Framing

Der Begriff Creuzfeld-Jakob-Krankheit erfordert jedoch, dass wir nachdenken und analysieren

  • Was ist das für eine Krankheit?“
  • „Ist diese Krankheit für mich relevant?“
  • „Was ist der Auslöser dieser Krankheit?“
  • „Was muss ich tun, um mich zu schützen?“
  • Muss ich mich überhaupt schützen?“

Puh, das sind ganz schön viele Fragen.

Da lesen wir doch lieber die Sportergebnisse…

Hier gelangen Sie zur Studie: Emotional and Deliberative Reactions to a Public Crisis 

Was wissen wir über Framing?

Das Rinderwahnsinn-Beispiel zeigt uns sehr deutlich, wie bei der Bewertung von Informationen zwei Hirnareale aktiv sein können. Unser rationales und unser emotionales.

In meinem Artikel Amygdala Hijack – „Wenn die Sicherung durchbrennt“ gehe ich auf eine besonders heftige emotionale Reaktion ein.

Es gibt regelmäßig neue Studien, die sich mit Ursachen und Wirkung des Framing-Effekts beschäftigen.

Die Quintessenz ist:

Wenn starke Emotionen ausgelöst werden, wird unsere Fähigkeit zum rationalen Denken massiv eingeschränkt oder gar komplett ausgeschaltet.

Hinzu kommt, dass Erlebnisse, die mit starken Emotionen einhergehen, im Hippocampus abgespeichert werden. Und der Hippocampus ist eine der wenigen „Festplatten“ im Gehirn, die auch in emotional angespannten Situationen aktiv sind. Ganz im Gegensatz zu anderen Gehirnregionen, für deren Nutzung der Präfrontale Cortex (Frontallappen) wichtig ist – doch dieser Gehirnteil wird in kritischen Situationen ausgeschaltet.

Rinderwahnsinn löst damit – bei vielen Menschen – eine emotionale Reaktion aus und sorgt für ein emotional getriebenes Verhalten.

Creutzfeld-Jakob-Krankheit ist nicht emotional besetzt. Um aus diesem Begriff eine emotionale Reaktion zu provozieren, muss das Gehirn erst einmal sehr aktiv arbeiten, analysieren und Schlussfolgerungen ziehen. Und das versuchen viele Gehirne zu vermeiden 😉

Was Framing für die Führung bedeutet

Was bedeutet das nun für uns Führungskräfte?

Framing müssen wir als Führungskraft aus zwei Perspektiven betrachten:

  1. Einfluss auf uns
  2. Einfluss auf andere

Framing-Einfluss auf uns als Führungskraft

Ob uns nun Mitarbeiter, unser eigener Vorgesetzter oder ein Kunde mit einem Thema konfrontiert – entscheidend ist immer der Rahmen (der Frame) innerhalb dessen dies passiert.

Denn wir sind auch als Führungskraft nicht vor dem Framing-Effekt geschützt.

Daniel Kahneman beschreibt in Schnelles Denken, langsames Denken folgende Untersuchung. Teilnehmer waren Ärzte (!) der Harvard Medical School:

Es ging um die 5-Jahres-Überlebensraten von Patienten mit Lungenkrebs.

Eine Hälfte der Ärzte bekam Studien zu lesen, die sich auf die Überlebensrate konzentrierten, die andere Hälfte las über die Sterblichkeitsquote. Insgesamt bekamen beide Gruppen die identischen Informationen, nur aus unterschiedlichen Perspektiven.

Generell galt, dass eine Operation die langfristig bessere Therapieform ist und gegenüber einer Bestrahlung zu bevorzugen ist. (Anmerkung: Das ist nicht meine persönliche Aussage, sondern die der Studie. Ich weiss nicht, wie die Situation heute ist)

Die Operation ist kurzfristig riskanter, aber die 5-Jahres-Überlebensraten von operierten Patienten waren deutlich besser als die von Patienten einer Strahlenbehandlung.

Framing beeinflusste die Entscheidung von Ärzten für oder gegen eine Operation

Framing beeinflusste die Entscheidung von Ärzten für oder gegen eine Operation

Es gab für die Ärzte zwei Beschreibungen hinsichtlich der kurzfristigen Risiken der Operation:

A. Die Überlebensquote einen Monat nach der Operation beträgt 90%

B. Es gibt eine 10% Sterblichkeitswahrscheinlichkeit innerhalb des ersten Monats

Beide Aussagen sprechen über die gleiche Tatsache.

Dennoch sorgte die gewählte Formulierung für eine fatale Beeinflussung der Ärzte.

Ärzte, die Variante A zu sehen bekamen, empfahlen zu 84% die Operation.

Die Leser von Variante B aber nur zu 50%.

Das ist ein massiver, signifikanter Unterschied. Der über Leben und Tod entscheidet! Und der Unterschied ist die Formulierung eines einzigen Satzes!

Zurück zu Ihnen, liebe Führungskraft.

Wenn Sie Informationen geliefert bekommen müssen Sie aufgrund des Framing-Effekts höllisch aufpassen, welche Auswirkung die Formulierung auf Sie hat.

Ich empfehle Ihnen, dass Sie immer dann, wenn Wahrscheinlichkeiten ins Spiel kommen, sowohl die positive als auch die negative Formulierung aufschreiben. Und dann auf sich wirken lassen.

Damit können Sie eine unterbewusste, emotionale Reaktion zumindest erkennen und damit umgehen.

Framing-Einfluss auf andere

Umgekehrt sehen Sie anhand des Beispiels, wie leicht Sie Mitarbeiter verunsichern – oder ins Verderben schicken können, wenn Sie Ihre Aussagen entsprechend formulieren.

Allerdings sind auch andere Menschen, also unter anderem unsere Mitarbeiter, Kollegen, Kunden, nicht dumm.

Wer jedes Problem durch rhetorische Tricks und Reframing in eine tolle Chance verwandeln will, wird früher oder später nicht mehr ernst genommen.

Es ist legitim – und richtig – Probleme auch einmal als Problem zu bezeichnen und beim Namen zu nennen.

Es ist sinnvoll, auch Fehler als Fehler zu bezeichnen, um deutlich zu machen, dass es so nicht geht.

Manchmal müssen wir bewusst und konzentriert auf die negativen Dinge blicken. Um dann danach zu sagen:

So, und was lernen wir jetzt daraus?
Was müssen und werden wir in Zukunft anders machen?

Und diese beiden Sätze sind bereits der Beginn eines neuen Framings des Problems:

Wir machen durch diese beiden Fragen klar, dass ein Problem etwas temporäres ist und wir aktiv etwas tun können.

Wenn Sie als Führungskraft Framing in dieser Art nutzen, können und werden Sie auch in Zukunft ernst genommen.

Ist Framing Manipulation?

Gute Frage.

Andere Frage: Ist nicht jede Form der Kommunikation Manipulation?

Selbst das Ausbleiben von Kommunikation?

Wir “manipulieren” immer. Mit allem, was wir tun.

Was Ihnen dieser Artikel über Framing zeigen soll ist, dass Sie sich als Führungskraft der Gefahr, durch Framing in Ihrer Urteilsfindung emotional beeinträchtigt zu werden, jederzeit bewusst sein müssen.

Das betrifft sowohl den bewussten Einsatz von Framing durch andere als auch die Wirkung von Aussagen anderer, die sich gar nicht überlegt haben, wie ihre Wortwahl das Gesamtbild beeinträchtigt, auf unser Verhalten.

Aber wir sind dem Framing-Effekt nicht schutzlos ausgeliefert!

Ganz einfache Fragen, um die Wirkung des Framing-Effekts zumindest abzumildern, sind:

  • Ist das die einzige Sichtweise? Welche Sichtweise gibt es noch?
  • Wie lautet die umgekehrte Formulierung? Und welche Wirkung haben die unterschiedlichen Formulierungen auf mich?
  • Habe ich das Gefühl, sofort agieren oder reagieren zu müssen? Welche Emotion sorgt für diesen Zeitdruck? Was würde ich tun, wenn dies Emotion nicht auf mich einwirken würde?

Studien von Benedetto De Martino des University College London fanden nämlich heraus (Studie: „Frames, biases, and rational decison-making in the human brain“), dass wir den Framing-Effekt abmildern oder gar ausschalten können – indem wir ganz bewusst darüber nachdenken, WIE uns etwas präsentiert wird.

Doch wir müssen genau hinsehen, hinhören und die Informationen auch noch überprüfen!

Kennen Sie die Argumentation der Fluggesellschaften, dass “Fliegen trotz Corona” sicher sei?

Weil, jetzt kommt das Framing, “die Luft im Flugzeug so sauber ist wie in einem Operationssaal“. Das klingt doch super. Ein OP-Saal ist das Sinnbild für Sauberkeit und Keimfreiheit.

Dass dieser Vergleich stark hinkt (oder gar eine plumpe Lüge ist), können wir der sehr gut gemachten Doku von 3Sat entnehmen: Fliegen trotz Corona

Fazit Framing-Effekt für Führungskräfte

Als Führungskraft gehört es zu unseren Aufgaben zu verstehen, wie wir selbst und andere Menschen durch psychologische Effekte wie den Framing-Effekt oder auch den ebenfalls konditionierenden Effekt des Priming in unserer Urteilskraft beeinflusst werden.

Wir sollten darauf achten, dass wir bei unserer Kommunikation kein negatives Framing betreiben – vor allem in Situationen, in denen wir Zuversicht vermitteln wollen.

Zudem sollten wir uns selbst davor schützen, durch emotionale Reaktionen aufgrund eines Framings Entscheidungen zu treffen, die – mit Abstand betrachtet – falsch sind (wie im Beispiel der Empfehlungen der Ärzte für oder gegen eine Operation).

Wir können uns nicht zu 100% gegen Framing schützen, doch bereits einige Minuten Abstand zwischen Information und Handlung können ausreichend sein, um rationaler zu agieren.

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