Haben Sie schon einmal von der Harvard Studie von 1979 gehört? Diese Studie kam zu dem Ergebnis, dass
- 84% der Harvard-Absolventen keine Ziele gesetzt hatten
- 13% Ziele hatten, sie aber nicht niederschrieben
- 3% ihre Ziele schriftlich definierten
Zehn Jahre später wurden die Teilnehmer der Studie wieder befragt und es kam heraus, dass
- Diejenigen, die Ziele hatten, die sie aber nicht dokumentieren, doppelt so viel verdienten wie die 84%, die keine Ziele hatten
- Die 3% mit schriftlichen Zielen im Gesamtdurchschnitt das Zehnfache der anderen verdienten
Was für ein grandioser Beweis für die Wirksamkeit von Zielen.
Der Haken an der Harvard Studie zur Zielsetzung
Es gibt allerdings einen kleinen Haken an diesen Studienergebnissen.
Sie werden unzählige Artikel und Verweise auf diese Studie finden, insbesondere in Büchern von Motivationstrainern, Verkaufstrainern, etc.
Wenn Sie die Studie zur Zielerreichung jedoch konkret lesen wollen, wird es schwierig.
Denn…
Es gab in Harvard niemals eine solche Studie, durch die der Beweis für die Wirksamkeit schriftlicher Ziele geliefert wurde.
Ja, Sie lesen richtig, die schönen Ergebnisse sind reine Erfindung und dennoch wird auch heute, 2020, weiterhin darauf verwiesen. Selbst renommierte Zeitschriften wie Forbes veröffentlichen weiterhin Artikel, die sich auf diese nicht existierende Ziele-Studie von Harvard beziehen.
Das zeigt uns mal wieder deutlich, dass wir uns nicht davon beeindrucken lassen dürfen, wenn eine Studie hunderte Male angesprochen wird. Wenn sie nie durchgeführt wurde, wird sie auch durch Wiederholung nicht plötzlich aus dem Nichts auftauchen.
Doch wir dürfen jetzt auch nicht dem Trugschluss verfallen, dass schriftlich definierte Ziele keinen Wert hätten. Das wäre ein Fehler! Wir haben bislang nur erkannt, dass die oft zitierte Studie nicht als Beweis genutzt werden kann.
Also stehen wir wieder am Anfang der Frage:
Ist es wichtig, für sich selbst Ziele schriftlich zu definieren?
Bevor wir es nun mit Motivationssprüchen versuchen, blicken wir nochmals auf die Forschung. Und siehe da, es finden sich tatsächlich Studien rund um Zielsetzung – jede Menge sogar.
Einen kleinen Überblick über die Erkenntnisse findet man in einem Artikel der Forscher Edwin A. Locke und Gary P. Latham (New Directions in Goal-Setting Theory)
Locke und Latham haben 400 Studien seit 1990 zur Zielsetzungs-Thematik analysiert. Dort finden wir folgende Erkenntnisse:
Die Wahrscheinlichkeit, ein Ziel zu erreichen, steigt, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Das Ziel ist konkret definiert (spezifisches Ziel, z.B. „Steigere Umsatz in Region A mit Produktpalette B bis zum 31.12.2020 um 7,5%“) und kein wages Ziel („gibt Dein Bestes“)
- Das Ziel ist schwer zu erreichen und nicht etwas, was man nebenbei oder mit wenig Aufwand „mitnehmen“ kann – denn dann bemüht man sich nicht wirklich und das Ziel strahlt auch keine Attraktivität aus
- Das Ziel steht nicht im Widerspruch zu anderen Zielen (und das können auch persönliche Werte, moralische Grenzen, etc. sein)
- Die Person, die das Ziel erreichen will, „committed“ sich zu diesem Ziel – hat also den festen Willen, das Ziel zu erreichen (und wir alle wissen, dass Willen Berge versetzen kann)
- Die Person besitzt die benötigten Fähigkeiten oder kann sich diese Fähigkeiten auf dem Weg zum Ziel aneignen
Die Ergebnisse von Locke und Latham zeigen eindeutig, wie wichtig die Definition von Zielen ist.
Gut, jetzt wissen wir also, dass die schriftliche Definition von herausfordernden Zielen tatsächlich Sinn macht. Wir mögen dies für das Berufsleben oder den Sport akzeptieren.
Aber…
Benötigen wir private/persönliche Ziele, um glücklich und zufrieden zu sein?
Naja, die Grundfunktionalität unseres Gehirns unterscheidet sich im Privatleben nicht von der in unserem Berufsleben.
Ok, es gibt Dinge, die wir im Berufsleben tun, die wir privat nicht tun würden. Oder umgekehrt 😉
Aber die Wirkungsweise beispielsweise von Endorphinen, die uns in Hochstimmung bringen, oder von Cortisol, das bei Alarmzuständen ausgeschüttet wird, ist immer gleich.
Um Glück oder Freude zu empfinden, muss im Gehirn also etwas bestimmtes ablaufen und dabei unterscheidet das Gehirn nicht, ob es sich im Privat- oder Berufsleben befindet.
Wir benötigen auch im Privatleben Ziele, deren Erreichung uns mit Freude, Zufriedenheit, Glück erfüllt.
Dinge, die wir einfach so haben, verlieren leider für die meisten von uns schnell an Wert. Weil wir uns so unglaublich schnell an Dinge gewöhnen.
Achtung vor der Marketingmaschinerie der Konsumgüter- und Luxusindustrie!
Denn diese versucht uns mit elementaren psychologischen Tricks zu manipulieren und uns vorzugaukeln, dass wir genau ihr Produkt benötigen, um glücklich zu sein.
Es gibt ganz bestimmt Dinge, deren Besitz einen glücklich macht. Wobei es dann oft nicht nur der Besitz ist, sondern der Weg und die Geschichte, die dazugehört! Auch ich selbst habe einige Produkte gekauft, die ich nicht zum Leben benötige. Diese Dinge versinnbildlichen jedoch viel mehr und haben deswegen für mich einen viel größeren Wert. Einen emotionalen Wert, der weit über den materiellen Wert hinausgeht.
Zu viele Ziele sind ungesund
Wenn wir im Berufsleben bereits herausfordernde Ziele haben, die wir auch wirklich erreichen wollen und die viel Energie von uns erfordern, dann müssen wir aufpassen, uns im Privatleben nicht einem so großen zusätzlichen Druck auszusetzen, dass wir eines Tages an ihm zerbrechen.
Oder den Erfolg einer Zielerreichung gar nicht mehr wahrnehmen, weil wir nur auf das blicken, was wir noch nicht erreicht haben.
Die Anzahl und Größe privater Ziele, die man aktiv verfolgt, müssen in die eigene Lebenssituation passen.
Ich schreibe übrigens bewusst nicht, dass sie in Balance sein müssen. Denn es gibt Phasen, da gibt es keine Balance! Und das ist auch kein Problem, solange es nicht zu einem Dauerzustand wird.
Als ich meine erste selbständige Tätigkeit begann, damals war ich 23 Jahre alt, habe ich teilweise 120 Stunden pro Woche gearbeitet und dennoch ein Privatleben geführt. In Balance war damals nichts, aber ich wusste, warum ich das mache und dass ich es auch nicht für 30 Jahre so fortführen werde.
Mindestens ein privates, herausforderndes Ziel
Je nach Lebenssituation sind wir möglicherweise so damit beschäftigt, unser Leben überhaupt im Griff zu haben, dass wir uns nicht auch noch mit Zielen beschäftigen können.
Das ist ok.
Es ist aber auch eine Falle.
Denn „zu viel zu tun“ ist eine einfache Entschuldigung, um keine Ziele zu haben.
Sehr weit verbreitet ist auch die „wenn die Kinder aus dem Haus sind, dann…“ Argumentation von Eltern. Das kann ich nachvollziehen.
Doch sein gesamtes Leben auf einen Zeitpunkt X zu verschieben wird spätestens dann zu einem Problem, wenn eine Krankheit oder ein anderes Unglück eintritt und man den Zeitpunkt X nicht mehr erreicht!
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch – ich habe selbst in meinem Leben Zeiten durchgemacht, da gab es aufgrund der Lebensumstände nur ein einziges Thema. Und das Thema hatte nichts mit freiwillig gesetzten, motivierenden Zielen zu tun.
Ja, diese Zeiten gibt es.
Doch irgendwann verändert sich auch wieder etwas und man kann sich mindestens ein positives, motivierendes Ziel vornehmen. Selbst wenn Sie nur eine Stunde in der Woche an einem Traum arbeiten sind Sie in einem Jahr um 52 Stunden weitergekommen. Das kann ganz schon weit sein!
Wir arbeiten immer an der Erfüllung von Zielen
Mir gefällt folgender Spruch recht gut:
Entweder man arbeitet an der Erfüllung der eigenen Ziele, oder man hilft jemand anderem bei der Erfüllung seiner Ziele.
Ob es die Ziele des Vorgesetzten, anderer Kollegen, des Ehepartners oder der Kinder sind – wenn diese es klug anstellen, dann lassen sie uns für ihre Ziele arbeiten.
Achtung: Es ist nicht unbedingt schlecht, anderen bei der Erfüllung ihrer Ziele zu helfen.
Entscheidend ist dabei, ob ich selbst dadurch ebenfalls etwas „gewinne“ und ob die Unterstützung der anderen mich entweder auch meinen Zielen näher bringt oder sogar mein Ziel ist.
Ganz persönlich ist es mein Ziel als Coach, Trainer und Berater, anderen Menschen dabei zu helfen, ihre Ziele schneller und besser zu erreichen. Das ist mein Ziel!
Einer der größten Vorteile persönlicher/privater Ziele:
Fokus!
Wenn man sich entschieden hat, ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, weiß man auch viel leichter, was man nicht machen sollte. Sollte 😉
Wem es dann gelingt, etwas weniger Zeit mit den Dingen zu verbringen, die ihn dem Ziel nicht näher bringen und dafür die Zeit für Tätigkeiten nutzen, die ihn dem Ziel näher bringen, der kommt voran.
Ganz sicher!
Und jetzt bitte ich Sie um folgendes:
- Öffnen Sie jetzt Ihren Kalender und tragen Sie einen Termin innerhalb der nächsten 7 Tage, mit 30 – 60 Minuten Länge, für sich ganz persönlich ein. Einen Termin, an dem Sie Ihre absolute Ruhe haben
- An diesem Termin, setzen Sie sich hin und schreiben all die Ziele auf, die Ihnen einfallen, die Sie glücklich und zufrieden machen würden (ja, ich weiß, „gut ausgebildete Kinder“, oder „gesunde Familie“ sind großartige Ziele – aber jetzt geht es um SIE)
- Tragen Sie einen neuen Termin für die kommende Woche ein, ebenfalls 30 – 60 Minuten lang. An dem Tag sehen Sie Ihre Aufzeichnungen wieder an, ergänzen sie oder formulieren sie um, und dann wählen Sie ein Ziel aus, das Sie angehen wollen. Das kann auch etwas sein, was Sie schon lange geplant oder auch schon einmal begonnen und wieder abgebrochen haben.
- Lesen Sie meinen Artikel über die fünf größten Fehler bei der Zieldefinition durch, formulieren Sie Ihre Ziele und arbeiten Sie jede Woche mindestens 30 Minuten daran.
Weitere Tipps zum Setzen und Verfolgen von Zielen:
Dieser Artikel gehört zu einer ganzen Serie von Artikeln, die Ihnen dabei helfen sollen, Ihre Ziele zu erreichen.
Bislang veröffentlicht:
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