„Die Ziele unseres Geschäftsführers? Die Ziele für mich als Teamleiter? Keine Ahnung. Vermutlich möglichst viel Geld für die Firma reinbringen. Aber konkrete Ziele kenne ich keine“, das war durchgängig die Antwort der Teamleiter bei einer Führungskräfte-Schulung, die ich vor einigen Jahren durchgeführt habe.
Das sonderbare daran war, dass ich, als externer Trainer, sehr wohl sowohl die Ziele der Geschäftsführung als auch die der Teamleiter kannte.
Es gab sogar einen Zusatz zum Arbeitsvertrag für die Teamleiter, in denen die Ziele formuliert waren – den jeder Teamleiter unterzeichnet hatte.
Das Manko war, dass diese Ziele nicht nachverfolgt wurden. Abweichungen – nach oben oder unten – wurden höchstens diskutiert, wenn es um die Ausschüttung von Prämien ging. Also 1x pro Jahr. An den anderen 364 Tagen waren die Ziele kein Gesprächsthema.
So funktioniert die Mitarbeiterführung über Ziele leider nicht.
Aber warum sollte man überhaupt Mitarbeiter über Ziele führen?
Führung über Ziele oder „Management by Objectives“ (MbO) wurde 1954 erstmals durch den Management-Guru Peter Drucker formuliert.
Das ist über 65 Jahre her.
Damals gab es weder SCRUM noch Agilität und Millennials, Gen Y oder Gen Z mit besonderen Wünschen an die Arbeitswelt erst recht nicht.
Ist das Prinzip der Führung mittels Zielen daher ein alter Hut, der heute keine Berechtigung mehr hat?
Genau das Gegenteil ist der Fall.
Führung über Ziele war nie so wichtig wie heute!
In einer Zeit,
- in der immer mehr Mitarbeiter eigenverantwortlich arbeiten,
- Projektteams agil kooperieren und eigenständig ihre Aufgaben planen,
- virtuelle Teams rund um die Uhr weltweit an gemeinsamen Projekten arbeiten
sind Ziele noch viel wichtiger als früher.
Denn wie sollen Mitarbeiter eigenverantwortlich, agil und weltweit zusammenarbeiten, ohne klare Ziele zu haben, was am Ende erreicht werden soll?
Aber vielleicht gibt es ja auch noch ein Missverständnis, denn…
Mitarbeiterführung über Ziele ist keine Diktatur
Das Missverständnis in der Führung mittels Zielen besteht oft darin, dass man die Idee wie folgt versteht:
Chef: Definiert Ziel
Mitarbeiter: Befolgt den Befehl und setzt um
Das ist natürlich Blödsinn und war auch niemals die Idee von Management by Objectives.
Je eigenverantwortlicher und agiler Mitarbeiter und Teams arbeiten, desto stärker sind sie auch in die Zieldefinition einzubeziehen.
Abhängig von der Erfahrung der Mitarbeiter oder Teams sind die Ziele anfangs eher klein und werden zunehmend größer. Und je größer das Ziel, desto motivierender ist dies für die meisten Mitarbeiter, da sie immer mehr Mitsprache, Einfluss, Entscheidungsfreiheiten, etc. gewinnen. Das ist einer der Gründe, warum die Zielsetzung über OKRs eines der wichtigsten Management-Werkzeuge der erfolgreichsten Unternehmen weltweit ist.
Wird das Ziel richtig definiert, sind die Vorteile der Mitarbeiterführung über Ziele nicht mehr wegzudiskutieren. Hier kommen die drei größten Vorteile:
Vorteil 1 der Führung über Ziele: Fokus und Priorisierung
Ein gut und klar formuliertes Ziel sorgt dafür, dass wir sehr gut unterscheiden können, was zu tun ist und was nicht.
Wir können einen Plan machen und die darauf beschriebenen Aktionen umsetzen. Die Umsetzung mag nicht immer leicht sein, aber was zu tun ist, das ist klar.
Wenn wir unendlich Zeit und unendliche Ressourcen hätten, wäre Fokussierung nicht wichtig.
Da die kostbarste Ressource jedoch unsere Zeit und die Zeit unserer Mitarbeiter ist, können wir durch klare Ziele dafür sorgen, dass diese Zeit in zielführende Aktionen gesteckt wird.
Es ist nicht zu wenig Zeit die wir haben,
sondern es ist zu viel Zeit,
die wir nicht nutzen!
Seneca
Wir haben oft deswegen zu wenig Zeit für die wichtigen Dinge, weil wir mit unwichtigen Dingen beschäftigt sind. Manchmal sogar unwichtigen Dingen, die mehr Spass machen 😉
Wenn Sie für sich selbst und Ihre Mitarbeiter dafür sorgen, dass einerseits klar ist, welche Ziele zu verfolgen sind, und andererseits auch klar ist, wie man mit nicht-zielführenden Aufgaben verfahren soll, dann können Sie eine Produktivität generieren, die nicht nur beeindruckt, sondern auch hochgradig motiviert.
Eine der wichtigsten Listen, um effektiv zu arbeiten ist nicht die To-Do- oder Offene-Posten-Liste, sondern die Nicht-Zu-Tun-Liste.
Axel Rittershaus
Berufliche Ziele definieren – Beispiel:
Klassischer Ansatz: Wir sollten mehr Referenzen und Best-Practice-Beschreibungen auf unserer Website haben.
Ziel-orientierter Ansatz: Wir veröffentlichen ab [Datum in 4 Wochen] jede Woche einen Best-Practice-Bericht auf unserer Website, der durch den Key Account Manager geschrieben und von der Marketing-Abteilung überarbeitet wird. Bis in 6 Monaten sind insgesamt 20 Best-Practice-Berichte veröffentlicht.
Mit dem klassischen Ansatz erreichen Sie nichts. Mit dem ziel-orientierten Ansatz ist die Verantwortung definiert, der Fokus ist klar und durch die Meßbarkeit (Ein Bericht pro Woche) wird auch die Priorisierung ermöglicht.
Vorteil 2 der Führung über Ziele: Entscheidungen
Wenn wir eine Reisetasche packen sollen, aber keine Ahnung haben, wo wir hinreisen, wird es sehr schwer.
- Packen wir Schnorchel und Flossen oder Skihelm und Skibrille ein?
- Nehmen wir Sonnencreme oder Thermounterwäsche mit?
- Müssen wir eine Gelbfieberimpfung machen oder nur unseren Tetanus-Status prüfen?
Ein unklares Ziel macht es unendlich schwer, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
Das führt dazu, dass
- Mitarbeiter keine Entscheidungen treffen und mit jeder Kleinigkeit zum Vorgesetzten oder Projektleiter gehen (ca. 80% aller Fälle)
- Mitarbeiter Entscheidungen treffen, die sie nach kurzer Zeit wieder revidieren müssen (ca. 20% aller Fälle)
Natürlich muss derjenige, der Entscheidungen treffen soll, auch dazu in der Lage sein!
Wenn Sie keine Ahnung von der Produktion von Online-Video-Trainings haben und ich zu Ihnen sage „Entwickeln und produzieren Sie ein Online-Video-Training zur Nutzung von Zielen bei der Mitarbeiterführung“, dann wird es Ihnen schwer fallen, von Anfang an Entscheidungen zu treffen. Vor allem kann es sehr lange dauern, bis Sie sich entscheiden können und dabei lukrative Chancen verpassen.
Deswegen müssen Entscheidungsbefugnisse bei der Zieldefinition für Mitarbeiter mit deren Erfahrungen und Kompetenzen einhergehen. Sie müssen im Sinne der situativen Führung angepasst werden.
Dann führen klare Ziele jedoch dafür, dass Mitarbeiter sehr leicht entscheiden können, was als nächstes zu tun ist oder ob Option 1, 2 oder 3 Sinn macht.
Diese Entscheidungsfreiheit ist für die meisten Mitarbeiter sehr motivierend und wenn die entsprechende Fehlerkultur gepflegt wird, dann trauen sich Mitarbeiter auch, Entscheidungen zu treffen, um dem Ziel näher zu kommen.
Berufliche Ziele definieren – Beispiel:
Wenn das Ziel lautet: „Bis in 6 Monaten sind insgesamt 20 Best-Practice-Berichte veröffentlicht.“, dann wird es den Marketing-Mitarbeitern sehr leicht fallen, die Entscheidung für oder gegen eine zusätzliche Marketing-Maßnahme selbst zu treffen.
Wäre das Ziel klassisch und unkonkret „mehr Best-Practices und Referenzen“, dann wäre die Entscheidung schwieriger, falls jemand in zwei Monaten eine neue Marketing-Idee hat.
Ziele zu definieren und zu verfolgen bedeutet, zu vielen Dingen NEIN zu sagen!
Ja, das ist die Crux an der Sache!
Aber genau deswegen werden Menschen, die fokussiert auf Ziele hinarbeiten auch oft als fanatisch, besessen, starrsinnig, etc. bezeichnet.
Dabei sind sie in Wirklichkeit einfach nur konsequent!
Natürlich muss man immer wieder prüfen, ob ein Ziel noch Sinn macht.
Gerade bei besonders ambitionierten Zielen kann es auch sein, dass man entscheidet, ein Ziel nicht weiter zu verfolgen.
Klar.
Doch jeder Unternehmer und jeder Erfinder, dessen Namen wir heute kennen, hat nur deswegen etwas bewegt, weil er sich komplett auf etwas konzentriert hat – also ein klares Ziel hatte. Und Entscheidungen zur Zielerreichung getroffen hat.
Will it make the boat go faster?
Im Buch „Will it make the boat go faster“ beschreibt der Ruder-Olympiasieger Ben Hunt-Davis die Vorbereitungen des Ruder-Teams auf die Olympiade in Sydney.
Dabei gab es eine einfache Frage, die sich das gesamte Team bei allem, was es tun wollte, stellte:
Will it make the boat go faster (Wird es das Boot schneller machen)?
Ihr Ziel war klar: Der Olympiasieg.
Die Frage war ihre Möglichkeit, in jeder Situation die richtige Entscheidung zu treffen.
Wollen wir ein Bier trinken gehen? > Will it make the boat go faster? > NEIN > also gibt’s kein Bier
Sollen wir noch eine Stunde auf die Rudermaschine? > Will it make the boat go faster? > JA > also ab in den Trainingstraum
Vorteil 3 der Führung über Ziele: Sinn, Fortschritt und Motivation
Millionen von Menschen investieren viele Stunden ihrer Freizeit für Hilfsorganisationen, Vereine, Tierschutzverbände, etc. – ohne dafür bezahlt zu werden.
Aber oft bekommen Sie dort genau das, was sie am Arbeitsplatz vermissen, aber dringend suchen: eine sinnvolle Tätigkeit.
Oft wissen Mitarbeiter nicht, wozu ihre Tätigkeit eigentlich gut sein soll. Oder sie arbeiten seit Monaten an etwas und können nicht erkennen, dass sie auch nur einen Schritt weiterkommen.
Das ist frustrierend und demotivierend.
Das Auswirkung eines sinnvollen Ziels ist kaum besser zu beschreiben, als mit dieser kleinen Geschichte:
Ein Mann beobachtet einen Maurer bei seiner Arbeit. Jeden Stein setzt er mit großer Präzision und stellt immer sicher, dass alles zu 100% gerade ist. Der Mann ist beeindruckt und geht auf den Maurer zu.
Mann: Sag mal, ich bin beeindruckt davon, wie genau Du jeden einzelnen Stein hier legst. Ich sehe, Du hast noch eine lange Mauer zu erstellen. Ist das nicht frustrierend, wenn noch so viel Arbeit vor Dir liegt?
Maurer: Ich mache hier keine Mauer! Ich helfe dabei, die schönste Kathedrale der Welt zu erbauen.
Noch Fragen?
Egal wie klein das Rädchen ist, das jemand beiträgt – wenn derjenige weiß, welche Bedeutung seine Arbeit hat, weil ein größeres Ziel verfolgt wird, dann kann derjenige daraus einen viel größeren Sinn und damit Motivation ziehen, wie wenn man einfach nur eine Mauer bauen soll.
Hat man ein Ziel vor Augen, kann man auch selbst immer wieder prüfen, ob man dem Ziel näher kommt. Geht es langsam voran, weil man sich gerade in einer schwierigen Phase befindet, ist es als Führungskraft besonders wichtig, den Mitarbeitern aufzuzeigen, dass sie Fortschritte machen.
Fazit Vorteile der Führung über Ziele
Wenn Sie Ziele richtig definieren und Ziele sich nicht gegenseitig ausschließen oder torpedieren (das sind zwei der fünf Hauptgründe, warum Ziele nicht erreicht werden), dann gewinnen Sie als Führungskraft und Mitarbeiter durch die klare Definition von Zielen immer.
Sie werden nicht jedes Ziel erreichen.
Manche Ziele werden sich als Fehler herausstellen.
Aber es ist besser, man macht den Fehler in 3 Monaten, weil man konsequent daran gearbeitet hat und kann daraus lernen, als dass man 24 Monate lang halbherzig eine Idee verfolgt, immer wieder Zeit investiert und dann feststellt, dass man zwei Jahre verschwendet hat. Zwei Jahre, in denen man sich mit einem anderen Ziel hätte beschäftigen können, das wesentlich erfolgversprechender gewesen wäre.
Weitere Tipps zum Setzen und Verfolgen von Zielen:
Dieser Artikel gehört zu einer ganzen Serie von Artikeln, die Ihnen dabei helfen sollen, Ihre Ziele zu erreichen.
Bislang veröffentlicht:
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