Ist es unverantwortlich, wenn eine Führungskraft ein großes Team mit 35 Personen führt?
Ist die maximale Größe eines Teams nicht auf 7-9 begrenzt?
Die Diskussion darum, wie groß ein Team sein darf, wird vermutlich niemals aufhören.
Dabei finden die Gespräche oft auf der gleichen Grundlage statt, wie wenn jemand sagen würde:
„Ein Auto darf maximal 120 PS haben.“
Ja, ein solches Auto könnte 1-2 Personen problemlos transportieren. Wenn wir aber von einem Auto erwarten, dass es eine fünfköpfige Familie inklusive 2 Hunden transportieren und auch noch einen 1,2 Tonnen schweren Wohnwagen ziehen soll, dann wird das mit den 120 PS nichts.
Genauso wenig kann man pauschal sagen, wie groß ein Team sein darf.
Was ist nötig, um ein großes Team zu führen?
- Hohes Vertrauen innerhalb des Teams und zur/von der Führungskraft
- Hohe Eigenverantwortung und Selbständigkeit der Mitarbeiter
- Viel Erfahrung, Entscheidungsbereitschaft und Fachwissen der Mitarbeiter
- Vollblutführungskraft, die wenig Zeit für Firmenpolitik, etc. vergeuden muss
- Absolute Zielklarheit und Aufgabentransparenz
Daher gehe ich hier darauf ein, unter welchen Randbedingungen auch ein großes Team gut geführt werden kann.
Eines vorab:
Unter der Voraussetzung, dass
- ein Team gemeinsam daran arbeitet, ein Ergebnis in Kooperation zu erzielen
- zu dem jedes Teammitglied einen Beitrag leistet
- und diese Teammitglieder feste Mitarbeiter sind (also keine freischaffenden Berater oder extern eingekaufte Mitarbeiter)
- sowie das Unternehmen das Ziel hat, diese Mitarbeiter langfristig zu halten und
- dementsprechend zu binden und in ihren Fähigkeiten weiterzuentwickeln
- wobei zumindest einige der Teammitglieder jung und (im Tätigkeitsbereich) wenig erfahren sind
empfehle ich eine Teamgröße von maximal 7 – 9 Personen, die direkt geführt werden.
In Einzelfällen sind auch noch 2-3 Personen mehr direkt führbar, doch das setzt sehr erfahrene Mitarbeiter und eine extrem gute und erfahrene Führungskraft voraus.
Aber wie kann man ein Team von 15, 20 oder 25 Personen führen?
Unterschiede beim Führen großer Teams
Wenn Ihr Team groß ist, wird es nahezu unmöglich, als Führungskraft auch noch inhaltlich zu arbeiten. Man ist dann voll und ganz Führungskraft, nicht mehr der Experte, der sich 20 Stunden pro Woche mit einem Fachthema beschäftigt oder in Projekten mitarbeitet. In kleinen Teams geht das bei Bedarf noch, in großen Teams nicht.
Natürlich gibt es Unternehmer, die 100 Stunden pro Woche arbeiten, 35 Mitarbeiter führen, neue Aufträge akquirieren, die wichtigsten Kunden beraten und auch noch dafür sorgen, dass die Gehälter rechtzeitig bezahlt werden. Das ist aber etwas ganz anderes! Ich bin selbst seit über 25 Jahren Unternehmer – das ist nicht mit einer angestellten Führungskraft zu vergleichen!
Ein großes Team zu führen setzt eine Führungskraft voraus, die sich exzellent auf unterschiedlichste Persönlichkeiten einstellen kann. Die Menschenkenntnis hat, sich nicht von Vorurteilen leiten lässt und die dazu fähig ist, ihre Einschätzung von Mitarbeitern immer wieder zu überprüfen.
Der größte Unterschied bei der Führung eines großen Teams zu einem kleinen besteht darin, dass es im Grunde unmöglich ist, zu jedem Mitarbeiter einen sehr engen Draht zu halten.
Bei jüngeren Teammitgliedern, bei unerfahrenen Mitarbeitern oder während Phasen großer Unsicherheit ist das ein massives Problem.
Haben wir es jedoch mit
- sehr erfahrenen Mitarbeitern zu tun
- die eigenverantwortlich arbeiten
- die wir vielleicht schon seit Jahren kennen und einschätzen können,
dann kann auch bei selteneren persönlichen Kontakten die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sehr gut sein und bleiben.
Wann ist ein Team zu groß, um es führen zu können?
Ein Team ist in dem Moment zu groß, wenn
- Mitarbeiter regelmäßig nicht weiterarbeiten können, weil sie auf die Führungskraft warten müssen
- Mitarbeiter häufig nicht arbeiten können, weil die Führungskraft ihnen nicht genügend Aufgaben übergibt oder die Delegation unklar ist
- Mitarbeiter inhaltliche Unterstützung durch die Führungskraft benötigen, dies aber zeitlich nicht möglich ist
- mehrere Mitarbeiter die gleiche Arbeit verrichten und keiner davon weiß
- wichtige Aufgaben nicht bearbeitet werden, weil keiner davon wusste oder alle dachten, dass irgendjemand sich schon darum kümmern wird
- die Mitarbeiterentwicklung leidet oder ganz unterlassen wird, weil die Führungskraft dafür nicht genügend Kapazitäten hat
- die Mitarbeiterentwicklung leidet, weil die Führungskraft gar nicht weiß, was einzelne Mitarbeiter eigentlich machen
- die Führungskraft die Namen der Mitarbeiter nicht kennt
Wie muss ein großes Team organisiert sein, um es führen zu können?
Ein großes Team kann nicht mikrogemanagt werden.
Eine Führungskraft, die das versucht, kann sich gleich die Kugel geben.
Die Organisation eines großen Teams funktioniert dann, wenn
- ein hervorragendes Vertrauensverhältnis sowohl zwischen Führungskraft und Mitarbeitern (in beide Richtungen) als auch
- ein hervorragendes Vertrauensverhältnis zwischen allen Mitarbeitern herrscht
- Mitarbeiter sich eigenverantwortlich untereinander abstimmen und organisieren
- keine Basisdemokratie bei Teamentscheidungen versucht wird
- das gesamte Team absolute Klarheit über die Teamziele und individuelle Ziele hat (OKRs sind dafür prädestiniert)
- die Führungskraft aktiv den Kontakt zu allen Teammitgliedern sucht
Ideal funktioniert ein großes Team, wenn die Führungskraft kleine Unter-Teams bildet, die wiederum eine Führungskraft haben. Doch dann können wir eigentlich nicht mehr von einem großen Team im eigentlichen Sinn sprechen, sondern von einem Bereich, einer Einheit, einer Abteilung, o.ä.
Sie glauben, dass es nicht möglich ist, ein Team von mehr als 10 Personen zu führen?
Dann sehen wir uns ein Beispiel an:
Ein Symphonieorchester kann 60, 80 oder auch 100 Musiker umfassen.
Und wird von einem Dirigenten „geführt“.
Das funktioniert hervorragend und je größer das Orchester, desto beeindruckender ist der Sound.
Bei dieser Orchestergröße müssen alle zu Beginn angeführten Kriterien erfüllt sein.
Es gibt 100%-ige Zielklarheit und keiner muss sich Gedanken darüber machen, ob ein paar Musiker statt Beethoven heute doch lieber Bach spielen.
Die Musiker haben ganz bestimmt eigene „Coaches“, die ihre Weiterentwicklung unterstützen. Sie haben aber auch eine extrem hohe Eigenmotivation, immer ihre beste Leistung abzuliefern und arbeiten daher von sich aus an ihren Fähigkeiten.
Der Dirigent, als ihre Führungskraft, wird auch bei dieser Teamgröße einen sehr guten Eindruck davon haben, wie gut die einzelnen Musiker sind. Weil er ihre Arbeit permanent mitbekommt!
Das ist einer der Hauptunterschiede zu vielen anderen Tätigkeitsbereichen, in denen eine Führungskraft manchmal nur alle 14 Tage eine kurze Info über die Arbeit eines Mitarbeiters bekommt.
Deswegen ist es auch nicht möglich, ein Team von 100 Mitarbeitern direkt zu führen – es sei denn, wir haben ähnliche Verhältnisse wie in einem Orchester.
Soziales Faulenzen (social loafing) in großen Teams
Eine akute Gefahr großer Teams besteht im sozialen Faulenzen zumindest einiger der Teammitglieder. Denn je größer die Gruppe, desto leichter kann man sich selbst zurücknehmen und die anderen arbeiten lassen.
Dieses Phänomen hat sogar einen eigenen Namen: Soziales Faulenzen
Was genau darunter zu verstehen ist und was man als Führungskraft beachten muss, finden Sie in diesem Artikel: „Faule Teammitglieder?“ Soziales Faulenzen (social loafing) in Teams
Wie kann man Mitarbeiter in einem großen Team weiterentwickeln?
Die Weiterentwicklung von Mitarbeitern in einem großen Team ist eine der wichtigsten und größten Herausforderungen.
Falls in einem großen Team mit beispielsweise 20 Personen eine individuelle Mitarbeiterentwicklung stattfinden soll, die durch eine einzige Führungskraft gesteuert wird, dann muss diese Person eine echte Vollblutführungskraft sein.
Es bedeutet beispielsweise jährlich
- 20 Jahresgespräche
- 20 Halbjahresgespräche
- 40 Quartalsgespräche
Das sind 80 Gespräche pro Jahr. Bei 46 Arbeitswochen also weniger als 2 Gespräche pro Woche. (Falls Sie Vorlagen für Mitarbeitergespräche suchen, dann finden Sie hier kostenlose Vorlagen)
Eigentlich kein Problem. Oder?
Nein, tatsächlich kein Problem.
Wenn wir es als Führungskraft des großen Teams schaffen, auch mitzubekommen, was jeder einzelne macht.
Oder uns zumindest die Informationen beschaffen, um dessen Arbeit und Weiterentwicklungspotential beurteilen zu können.
Aber es wäre fatal, wenn man nur 1x pro Quartal mit jedem Mitarbeiter spricht.
Gehen wir auf einen 14-tägigen Zyklus, haben wir 10 (kurze) Gespräche pro Woche mit Mitarbeitern.
Auch das ist machbar.
Allerdings nur, wenn die Führungskraft nicht 35 Stunden pro Woche in Meetings mit anderen Abteilungen, Kunden, Vorstand, etc. hängt.
Das ist nämlich der eigentliche Haken.
Kann sich eine Führungskraft wirklich auf ihre Führungsaufgabe konzentrieren, ohne inhaltlich mitzuarbeiten und ohne einen Großteil ihrer Arbeitszeit mit interner Politik zu verbraten, dann kann sie auch sein großes Team erfolgreich führen.
Große Teams mit eingeschränkter oder ganz ohne Mitarbeiterentwicklung
Blicken wir noch auf die Teamzusammensetzung selbst. Die spielt nämlich auch eine Rolle.
Ein großes Team von 25 Personen kann auch aus 5 internen und 20 externen Mitarbeitern bestehen.
Dann sieht die Sache ganz anders aus! Dann haben wir 5 interne Mitarbeiter, die wir weiterentwickeln müssen.
Die 20 Externen sollten sich auch weiterentwickeln, ganz klar. Aber dafür sind wir nicht disziplinarisch verantwortlich.
Natürlich sollten wir auch mit den externen Mitarbeitern darüber sprechen, was sie gut machen, wofür wir sie schätzen und was wir von ihnen in Zukunft erwarten. Aber Handeln müssen diese dann selbst.
Man kann große Teams erfolgreich führen
Ich bin davon überzeugt, dass man auch große Teams sehr erfolgreich führen kann.
Aber dann hängt es von den oben beschriebenen Faktoren ab, wie das Team zusammengesetzt ist und wie viel Zeit die Führungskraft des großen Teams auch in die Führung investieren kann.
Je jünger und unerfahrener die Teammitglieder jedoch sind, je mehr Begleitung und Weiterentwicklung sie benötigen und einfordern, und je weniger direkt die Führungskraft die Arbeit der Teammitglieder selbst mitbekommt, desto kleiner sollte das Team sein.
Dass ein 18-köpfiges Expertenteam nicht von einem frisch gebackenen Führungsneuling geleitet werden sollte, sondern von einer erfahrenen, respektierten und souveränen Führungskraft, ist sicherlich jedem klar.
Und wie führt man ein kleines Team?
Falls Sie sich jetzt fragen, was bei der Führung eines kleinen Teams zu beachten ist, dann ist dies der richtige Artikel für Sie:
Wie führt man ein kleines Team? 5 Tipps für Teamleiter kleiner Teams
Machen Sie einen der 3 typischen Denk-Fehler, mit denen sich die meisten neuen Führungskräfte selbst sabotieren?
Dank unseres Webinars machen Sie diese Fehler NICHT! Darum geht es:
- Wie Sie ab Tag 1 souverän und motivierend führen
- Wie Sie die größten Herausforderungen beim Rollenwechsel zur Führungskraft meistern
- Welche drei typischen Denk-Fehler sie vermeiden müssen